Elisabeth Endres
in memoriam

Über uns

Ein Andenken an die großartige Kunst von Elisabeth Endres!

von späten Freunden und Wegbegleitern.

Kurt u. Sigrid Gerum (Betreuer des Nachlasses von Elisabeth Endres)

Elisabeth Endres

„Ich war ein ungeheuer braves Kind.Ein Ungeheuer. Das Kind bin ich noch immer.“
Und so stand es schon im Zeugnis der 4.Klasse „Eine brave und fleißige , gut erzogene Schülerin“, oder 1955/56 „sehr anständig, ruhig, willig und zuverlässig, doch fast schüchtern und scheu“.
„Da hat man die schwierigsten Schäden.Ich male brav meine Striche. Ich weiß nicht für wen und was. ...Sei ein braves Mädchen, dann wird`s schon.“

Die Umstände sind nicht erbaulich, die Zeiten schlecht, das Haus ist klein, Geld ist knapp, der Vater herrschsüchtig und brutal, die Mutter hilflos und die Verwandten
haben keine Ahnung vom unendlichen Leid und der Demütigung durch gnadenlosen jahrelangen Mißbrauch durch den Vater.

„Wen wunderts, daß ich Angst habe. Ich will ein gutes Mädchen sein. ….Ich verlange nichts, ich akzeptiere. Alle meine Qalen bleiben bei mir.“
Im Haus sind öfters Verwandte zu Besuch, ein Maler der Münchner Sezession, der  Großonkel Theodor Baierl (1881-1932 ) „der hat mir eine Uhr und ein Malkasterl vererbt. Da hab ich halt gemalt und gezeichnet.“, oder die Tante Lore Hummel ( 1915-1997) Bilder-Kinderbuchautorin und -Illustratorin.
Vieleicht hat die „Lisl“ ja daher das Maltalent. Aber vom Leiden der jungen Elisabeth wissen sie nichts, sie behält alle Verzweiflung für sich. Auch der Franz Hummel ( 1939-2022 ) der sich öfter in Oberammergau aufhält, da er Klavierunterricht bei Prof. Eugen Papst (1886-1956 ) und bei Richard Strauss ( 1864-1949 ) in Garmisch-Partenkirchen erhält erfährt nichts, obwohl die Freundschaft bis zum Tod von Elisabeth hält.
Als sie den häuslichen Terror und das Schweigen  nicht mehr aushält flüchtet sie nach München, kommt bei den Schwestern vom Herz Jesu Kloster in München  unter, bei denen schon Ihre ältere Schwester Klara (1941-1991 ) logierte. Diese studierte an dere LMU Philosophe und promovierte 1988 in Tibetologie, Indologie und Thaiistik als Magister Artium.
Die jüngere Schwester Johanna (1955-2015 ), die sie wegen der Krankheit der Mutter im Wesentlichen großgezogen hat bleibt bei der Mutter.

„In Therapien habe ich mir die Seele aus dem Leib geschrien“ .
Aber auch in dieser Zeit ließ sie ihre traumatische frühkindliche Erfahrung nicht los und führt zu zeitweisen Deprssionen mit Selbstwertproblematik und wiederholten Therapien
Die Zeit von 1967-1973 an der Kunsakademie  mit ihrer vielschichtigen, gesellschaftlichen und künslerischen zukunftsweisenden Potenz bringt neue bewußtseinerweiternde Impulse in Ihr Leben.
„Ich lerne.Ich werde unabhängiger. Ich sage guten Tag, es geht mir gut...Ich laufe durch den Wald, sehe mir die Bäume an, lausche dem Borkenkäfer, höre den schwarzen Specht Signale geben, und bestaune wie alles ganz natürlich in sich zusammenkracht. Ich bin in der Gruppe gegen das Waldsterben.“
An der Akademie findet sie in Professor Fred Dahmen erstmals einen engagierten und couragierten  Förderer ihrer Ambitionen. Obwohl selbst abstrakter Maler und Objektkünstler, unterstützt er ihren Drang zum Realismus, entgegen aller zeitgemäßen Kunstauffassung.

„Ich begann innerhalbb der Akademie München mit abstrakter, expressiver, experimentieller Kunst. Dies befriedigte mich nicht und ich wandte mich der realistischen Malerei zu, bei der ich bis heute geblieben bin. Realistisch malen ist für mich sinnliche und intellektuelle lustvolle Erfahrung.“
„Meine Striche sind Arme , die greifen nach der Wirklichkeit. Wenn ich durch die Wälder gehe klebt an jedem Baum ein Chemiewerk. Die Büsche werden von Autos umarmt, durch den Himmel ziehen falsche Sprüche den Wolken nach.Das Land der Bayern, das ihnen nicht gehört, ist ihnen ausgeliefert.“
Der Professor beschwört seine Studenten eindringlichst, auch wenn sie dies aus ideologischen Gründen eigentlich ablehnen, um überleben zu können, den Kunstmarkt zu suchen, sonst seien sie der Unbedeutendheit ausgeliefert, mußte er doch selbst in den Jahren 1954-59 an einer Privatschule als Zeichenlehrer arbeiten um seine Familie zu ernähren.
Doch das künstlerische Überleben ist  beileibe nicht nur für Elisabeth auf Grund ihrer psychischen Vorbelastung ein Problem, sondern war auch für so manchen erst nach dem Tod berühmt gewordenen Künstler, wie uns die Kunstgeschichte lehrt. ( van Gogh….).
„In diesemFallstrick hänge ich immer noch. Gefährlich ist das nicht mehr. Meine Füße sind fest in Lebenssentimentalitäten geschnürt. Wer wird denn da schon weinen. Die Wohnung kann ich nicht heizen. Der Arzt schreibt ich sei unterernährt. Das alles wegen der Malerei. Ich glaube wegen der Freiheit, die ich meine und die ist gar keine.“
Auf ihrer Suche nach Freiheit, nach Geborgenheit und Liebe findet sie immer wieder Weggefärten, Freunde und vor allem Freundinnen, Verehrer ihrer Kunst und den Weg in Ausstellungen und Galerien und kann Bilder verkaufen.
„Bin ich emotional im Gleichgewicht, kann die Leinwand nicht leer genug sein. Sie freut sich auf mein Gedankendurcheinander und schreit Ordnung, Ordnung. Mein Pinsel gehorcht, er spuckt nicht, er streichelt.“
Bilder von starkenFrauen, von weiblichen Ikonen, von geschundenen Tieren,  Religion und Automobilen in bedrohter Natur in exzellenter Maltechnik, realistisch und doch hintergründig belegt durch ihr inzwischen enormes Wissen über die Sugets ihrer Darstellungen.

„In der Malerei entstehen die schönsten Stellen durch hart erarbeiteten Zufall. Wenn ich nicht aufpasse wendet er sich woanders hin. Und eh ich mich verseh, erfindet einer eine neue Kernspaltung.
Mein Pinsel ist ein Messer, Ich täusche mich durch die Kälte über meine Verletzlichkeit hinweg. Ließ ich die Trauer raus, fiele ich durch die Leinwand.“
Wieder blockiert ihr der Vater, obwohl inzwischen längst schon verstorben (1969 ) ein Weiterkommen, das Grauen der Kindheit bemächtigt sich erneut ihrer Welt.
„Daß ich den Pinsel nicht im zarten Alter von 35 wegwarf, verdanke ich den American Native Indians.“
Auf der Suche auf Auswegen aus ihrer belasteten Situation stieß sie auf die Kultur der Indianer Nordamerikas, liest sich, wie immer wenn sie sich einer neuen, ihr unbekannten Thematik zuwendet, durch unzählige Fachliteratur, sucht Kontakte und kann sich mit vielen Eigenheiten wie Naturverständnis, Demokratieverständnis, die Beziehung zu Kindern und dem holistischen Zeitbegriff dieser Völker identifizieren. Doch dabei erfährt sie auch die Problematik im Verhältnis zur weissen Kultur, die Probleme in den Reservaten, die Folgen der Umerziehungsprogramme und der Naturzerstörung durch Uranabbau.

Da sie schon immer auf Seiten der Verfolgten, der Vernachlässigten und der Schwachen steht, nimmt  sie Kontakt zu Albert John Walentukonis ( 1949-2015 ) einem inhaftierten Indianer des Stammes der Blackfoot auf.   

  https://www.youtube.com/watch?v=F3zDhAkZU0s              

              
„Albert John Walentukonis, native name Dark Raven. Blackfoot. Born October 22.1949. In Prison for receiving stolen property. Have done Art about 14 years. Have written poetry and had some published. I play guitar. Have published native Newsletter and written much on „prison Problems“. Have written children Stories.“(Allbert J. W. Selbstbiografie )  

Aus diesem Briefkontakt entsteht eine enge Beziehung in deren Folge mehrere Aufenthalte in Amerika resultieren.
„I am the rebel, the one yet unbroken, and I shall stand, tall in the mountain,….I am the man, so much in love with a woman, who shares now her heart, mind, soul and body, and shall stand at my side, in the mountain….for Elisabeth Endres by A.J.Walentonkins,Dark raven.“
Da sie auch zeitweise bei der Familie von AL lebt, lernt sie die handfesten Probleme in den Reservaten und deren Folgen unmittelbar kennen. Letztendlich wird sie sogar zu einem „Mitglied des Stammes und heiratet nach indianischem Ritual“ ihren Al.

Mit ihren Bildern wird sie zur „Kämpferin“ für die Rechte der Indianer, lernt ihren langjärigen Freund Mitch Walking Elk ( Cheyenne-Arapaho ) ,“singer, songwriter and misician“  kennen und es gelingt ihr in  Galerien in New York und Hawaii auszustellen.
Doch auch dort holt sie das Unglück wieder ein. Probleme mit Al`s Familie tauchen auf, „Liebe Mama, wenn du diesen Brief erhältst ist Albert (nach zwanzijäriger Haft Anm. des Verfassers )  ) endlich entlassen. Zuletzt mußte er wieder im Todestrakt arbeiten.Er war so was wie ein Therapeut für die, die hingerichtet werden….Seine Mutter, der ich nicht über den Weg traue, hat es mit einem Trick geschafft, daß ich tatsächlich koche. Ich hasse alles was mit Hausfrau zusammenhängt…..Daß ich in meinen alten Tagen noch einmal Hausfrau sein soll, das verdanke ich einem mißgünstigen Dahingeschiedenen. Ich habe mich ein Leben lang viel durchgeschlagen um zu malen, nicht um zu „hausarbeiten. Es ist nicht zu fassen, einen Kuchen muß ich auch noch backen.“ (Brief an die Mutter 1995 )
Eine weitere sexuelle Gewalttat überschattet  ihr geschundenes Leben und sie verläßt fluchtartig Amerika, ohne Wiederkehr. Alles was sie von ihrem dortigen künstlerischem Schaffen retten kann sind drei großformatige Farbzeichnungen auf Packpapier. Der Rest bleibt zurück und ist verschollen.

Nach ihrer Rückkehr nach München hat sie Schwierigkeiten wieder in ein normales mitteleuropäisches Leben zurückzufinden. Viele Kontakte sind zerbrochen oder einfach nicht mehr existent und sie ist  völlig mittelos.
Die wenigen Freundinnen und Freunde die sie noch hat unterstützen sie großzügig, helfen ihr ein neues Leben aufzubauen und organisieren Ausstellungen in einigen Museen und Galerien.
Wenn auch nicht mit Geld gesegnet, knüpft sie wieder Beziehungen zu Indianern, indem sie eine Schulpartnerschaft bei Futures for Children für Kaainia Waquie, einem zwölfjärigen Mädchen vom Pueblo Jemez in New Mexico, übernimmt.
Letzendlich kehrt sie 2004 zurück in ihren Heimatort Oberammergau, baut sich im Garten des Eltrnhauses ein kleines Atelier und malt dort ihre letzten Bilder.
Und hier holt sie das Grauen ein weiteres mal ein. Ein unheilbarer Tumor kämpft sie langsam nieder.
Elisabeth stirbt am 3.7.2011
K.Gerum
Zitate aus: „Elisabeth Endres. Eine kleine Machtmusik. Autobiographische Notizen.“